Fortsetzung von "Häuser und Straßen des Dorfs (1/5)":
Aus alter Zeit finden sich auch noch eine Anzahl Häuschen, die man besser Hüttchen nennen sollte: Überreste vorherrschender Armut. Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts mussten Heiratskandidaten den Nachweis liefern über den Besitz einer eigenen Wohnung und über die Möglichkeit des Erwerbes der nötigen Mittel, um eine Familie ernähren zu können. Aus dieser Vorschrift erklärt sich neben der breiten Armut der Aufbau der kleinen Hütten oder, was ebenfalls nicht ungewöhnlich war, die Adaptierung bestehender Hallen, Scheuerchen oder Stallungen zu Wohnhäusern. Der ehemalige Brauch, dass Menschenwohnung und Viehstallung der Länge oder Breite nach unter einem Dache sich befanden und nur durch die Hausflur von einander getrennt waren, verliert sich allmählich. Für Viehstallung hat man nun fast überall eigenes Gebäude, oder man baut sie fast regelmäßig in die Scheunen oder Hallen ein. Bei geringeren Leuten, denen die nötigen Nebengebäude fehlen, wird der Hausspeicher zur Unterbringung der Futtervorräte benützt. Die Nachräume eines Hauses zur Aufbewahrung von Getreide zu verwenden, gehört nun selbst bei Vermöglicheren zu den Seltenheiten, weil das Getreide bald verkauft oder an Bäcker zum Umtausch gegen Brotlieferung gegeben wird. Aus diesem Grunde ist auch die Errichtung oder Benützung von Hausbacköfen in Abnahme begriffen. Ebenso ist es nicht mehr häufig, nach Spessartbrauch die Stallung für eine Kuh oder mehrere Ziegen samt einer kleineren Futtervorratskammer zur ebenen Erde eines Hauses anzulegen und darüber die Menschenwohnung aufzubauen, zu welcher eine seitliche, entsprechend hohe Steintreppe führt.
Was die Ortsstraßen betrifft, so muss zunächst bemerkt werden, dass solche erst gegen das Ende der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gebaut wurden. Vorher waren es eben nur Wege, die den Feldwegen um nichts nachgestanden zu haben scheinen. Schweinheim ist von Anhöhen umgeben; Schnee- und Regenwasser laufen zur Niederung des Hainsbaches, an dessen Ufern das Dorf liegt. Eine Ausflutung der Feld- und Ortswege, sowie eine Ansammlung des abgeschwemmten Erdreiches in der Ebene des Baches, dem gerade in der Mitte des Dorfes vier Seitenbächlein zufließen, ist eine ganz natürliche Folge. Werden dergestaltete Wege nicht wiederhergestellt oder gegen weitere Ausflutungen geschützt, dann entstehen im Laufe der Zeit schwer gang- und fahrbare Hohlen; und werden Erdanflutungen in und an den Bächen nicht beseitigt, dann tritt der Bach aus seinen Ufern und es bilden sich morastige Flächen, die durch Befahren sich immer weiter tragen. Beides war in Schweinheim der Fall. Es ist leider eine Tatsache, dass man - von einzelnen Ausnahmefällen abgesehen - im allgemeinen so wenig Sinn für Reinlichteit und Ordnung fand und auch in Sachen der Ortswege nicht weiter ging, als die Energie der Behörden reichte. Also brauchen wir uns nicht über den Bericht des Vogteiamtes Schweinheim zu entsetzen, den es laut Alten des unterfränkischen Kreisarchives unterm 26. Oktober 1804 an das Vicedomamt Aschaffenburg erstattete mit den Worten: „Wenn ein Ort in der ganzen Umgegend sich durch Unreinlichkeit, Kot und Morast auszeichnet, so ist es Schweinheim.“ Gerade in der Mitte des Dorfes, da wo Bach und Bächlein zusammenfließen, und wo der Hauptteil des heutigen Schweinheim sich entfaltete, an der zweiten Hälfte der nunmehrigen Marienstraße, lag alten Berichten zufolge bis teilweise in die Neuzeit der Herd der Unreinlichkeit. Der Weg zur Stadt, die heutige Aschaffenburgerstraße, heißt in den Urkunden schlechtweg Hohle, auch Eselshohle, weil nur mit leichtem Fuhrwerk befahrbar; die beiden Böschungen der Hohle waren mit Dornen und Gestrüpp bewachsen; Fußgänger hatten ihren Pfad auf der Höhe der Böschung. Gar oft aber glitten, wie erzählt wird, trunkene Wanderer dort aus, gerieten und verwickelten sich in das Gestrüppe der Böschung. Heimgekehrt, wussten sie ihren Angehörigen ihr längeres Ausbleiben damit zu rechtfertigen, dass sie behaupteten, der aus den Spessartsagen bekannte Eitel vom Neuhof habe sich ihnen beim Vorübergehen auf den Rücken gelagert und sie schließlich in die Hohle geworfen! Außer dem Stadtwege war auch der Weg gegen Westen nach Haibach und Gailbach und zur Würzburger Staatsstraße nichts anderes, als ein Hohlweg. Der Volksmund nannte ihn „Althohl“, eine Bezeichnung, welche auch die heutige Straße noch führt. Ebenso war auch der vom Schlusse der heutigen Marienstraße rechts zur Ziegelhütte nach Obernau abzweigende Weg, die heutige Obernauerstraße, ein Hohlweg, Stuffelshohle genannt.
Inhaltlich der Akten des Kreisarchivs bemühte sich das Schweinheimer Vogteiamt schon in den Jahren 1792 - 1794, die Gemeinde zu einer Pflasterung der Ortswege zu veranlassen; freilich ohne Erfolg. Die Gemeinderechnungen lassen lediglich erkennen, dass man in den folgenden Dezennien Feld- und Ortswege durch Fron-Arbeiten einigermaßen lichtete. Den Häusern entlang legte man zur Rechten und Linken der Ortswege stellenweise plattenähnliche Steine, damit man bei Regen und Schmutz von einem zum andern gehen bzw. hupfen konnte. Letztere Art des Wegbaues nannte man Trottoir. Die Ausgrabungen der Ortsstraßen im Jahre 1907 und 1909 zwecks Rohrlegung für Gas- und Wasserleitung bestätigten dies.
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