Fortsetzung von "Häuser und Straßen des Dorfs (2/5)":
Der erste Straßenbau erfolgte in den Jahren 1838 – 40 am Stadtweg, d.h. am Wege von Schweinheim über den Neuhof nach Aschaffenburg, der heutigen Aschaffenburgerstraße. Im Anschlusse daran wurden auch die übrigen Ortswege in einen bessern Stand gesetzt, so dass sie fortan wenigstens den Namen Straße zu führen einigermaßen berechtigt erscheinen.
Es gibt zur Zeit 30 offiziell benannte Ortsstraßen oder Ansiedlungsplätze. Ehedem scheint ein Baulinienplan nicht bestanden zu haben oder beobachtet worden zu sein. Daher sind die Straßen und Wege zum Teil ungleich breit und ist das ganze Straßenbild gar oft unregelmäßig. Abseits von der Hauptstraße liegende Häuser- oder Hüttenkolonien, zu welchen eine Sackgasse führt, werden im Volksmund „Ecken“ genannt. Die Bezeichnung „Scharfeck“ dagegen bedeutet die kantige Ausbiegung eines oder mehrerer Häuser in dem sonst freien Raum bei Straßenkreuzung. Nimmt man den ersten Ortsplan nach der im Jahre 1845 durchgeführten Landesvermessung zur Hand, so findet man, dass zu jener Zeit von den heutigen 30 Ortsstraßen zwölf überhaupt noch nicht bestanden, nämlich: die Schul-, Ring-, Rotwasser-, Gailbacher-, Aumühl-, Sodener-, Feldchen-, Bachgarten-, Oberestockbrunnen-, Berg-, Luitpoldstraße und Bahnweg. Andere hatten nur kurze Anfänge; dazu gehörten: die Aschaffenburger-, Althohl-, Ebersbacher-, Obernauerstraße und Fischergasse. Erkundigt man sich bei alten Leuten über die Zustände auf etwa weitere 50 Jahre zurück, so erfährt man, dass ältere Wege zu jener Zeit noch lückenhaft bebaut waren. Das darf nicht Wunder nehmen, denn Schweinheim hatte im Jahre 1821, d.h. bei der Pfarreibegründung, nur 1300 Seelen, im Jahre 1911 dagegen 3135. Die schnellste Bevölkerungs- und darum auch Wohnungsund Straßenmehrung besteht seit 1895. Aus allem erkennt man, was bereits erwähnt wurde, dass die ersten Ansiedelungen nördlich und südlich des Baches an der ganzen heutigen Marienstraße lagen und östlich von der Dorfmühle (Mühlgasse) bis westlich in die Anfänge der Fischergasse reichten. Die Namen der einzelnen Ortsstraßen sind folgende:
1. Marienstraße, seit 1908 so benannt nach der an ihr liegenden Marienpfarrkirche. Auch das Rathaus und Pfarrhaus liegen an dieser Straße; sie hat den Vorzug, dass sie 1910 auf ihrer ganzen Ausdehnung neu reguliert und gepflastert wurde. Durch Überbrückung des Baches mit Eisenbeton ist nun an dortiger Stelle ein verschönerter freier Raum geschaffen, der bei noch weiterer Durchführung der Bachüberbrückung einem Marktplatze nicht unähnlich sehen würde. Der zur linken Seite dieser Straße bei ihrer Einmündung in die Ebersbacherstraße liegende freie Platz ward 1910 ebenfalls reguliert, als gartenmäßige Anlage umzäunt und am 12. März 1911 bei Gelegenheit der 90jährigen Geburtstagsfeier Sr. Kgl. Hoheit „Luitpoldplatz“ getauft.
2. Die Althohlstraße, welche vor dem Rathause links von der Marienstraße in östlicher Richtung abzweigt. Noch vor 60 Jahren reichte sie in ihrer Ausdehnung bzw. Ansiedlung nicht über die Stelle hinaus, an der die heutige Schulstraße abzweigt. Der Name besteht von altersher. Im Jahre 1840 ward sie als Straße angelegt und gepflastert; freilich waren die verwendeten Steine mehr Roll- als Pflastersteine. Im Jahre 1910 erfolgte Pflasterung. Sie hat eine rechtseitige, hinter dem Presbyterium der Pfarrkirche liegende „Ecke“, welche die Anwesen 7 mit 11a umfasst. Das dorthinführende Sackgässchen nennt der Volksmund von altersher die „Backseltengasse“, weil dort arme Leute wohnten, die nicht oder selten
dazu kamen, aus eigenem Getreidebau Brot backen zu können.
3. Die Hirtenecke, eine linksseitige, dem Rathaus gegenüberliegende Abzweigung von der Althohlstraße, so benannt, weil ehedem dort die „Dienstwohnungen“ der so wichtigen Gemeindehirten standen. Diese Kolonie umfasst 9 Hausnummern.
4. Die Schulstraße, 1904 nach Erbauung des dort stehenden Knabenschulhauses mit einer Breite von 10 Meter und nach nötigem Erdaushub neu angelegt. Es sind allda bis jetzt 8 Hausnummern. Nr. 1 ist 1901 erbaut.
5. Die Ringstraße, bisher und zum Teil heute noch Wiesenpfad, wurde 1908 nach Aschaffenburger Vorbild neu benannt und 1910 bis Nr. 17 mit Steinrolle ausgebaut. Die ersten Häuser allda Nr. 2 im Jahre 1873 und Nr. 3 im Jahre 1891 erbaut.
6. Die Rotwasserstraße, vom dortigen Feldabteil so benannt, ist die nordöstliche Fortsetzung der Althohlstraße und führt auf das Aschaffenburger Verbindungssträßchen mit der Würzburger Landstraße. Diese Straße bildet mit dem auf sie einmündenden Selzerweg die Grenze gegen Aschaffenburger Gebiet, weshalb sie auch vorerst nur linksseitig bebaut ist. Die erste Ansiedlung Nr. 2 am dortigen Weg erfolgte 1876. die zweite. Nr. 4, 1893.
7. Die Gailbacherstraße, weil in der Fortsetzung über die Dümpelsmühle nach Gailbach führend, bildet bis zur linksseitigen Abzweigung in die Haibacher „Eselshohle“ ebenfalls die Grenze gegen das Stadtgebiet, wird also auch hier nur einseitig, von der Hohle ab jedoch beiderseits bebaut und ist vom Anfang an bis zur beginnenden Steigung seit 1904 erhöht und gerollt. Die Fortsetzung ist jedoch noch Feldweg. Die erste Ansiedlung geschah zur Rechten im Jahre 1898, zur Linken im Jahre 1900.
8. Die Mühlgasse zweigt linksseitig zwischen dem einmündenden Holler- und Gailbach zur Dorfmühle von der Marienstraße ab. Würde nicht zwischen Hof und Scheune des Anwesens Nr. 16 und dem zur Mühle einlaufenden Gailbach ein schmales und kurzes Pfädchen einen Ausgang in die oberen Meisenwiesen und rechts (über den Bachsteg) in die Auwiesen gestatten, so könnte man sie eine Sackgasse nennen. Die dortigen Ansiedlungen gehören zweifellos zu den ältesten; das Hofbauerngut Nr. 14 wird schon in einer Urkunde vom Jahre 1308 genannt.
9. Das Bahmersgäßchen führt jenseits des Baches von der Dorfmühle in die Sodenerstraße. Es besteht seit ungefähr 100 Jahren und hat seinen Namen vom seinerzeitigen Besitzer des Anwesens Nr. 4, der Bahmer hieß.
10. Die Aumühlstraße, vorher Aumühlweg, ist mit ihrer Ansiedlung ein neuer Ortsteil; da die Aumühle selbst erst 1806 erstanden, so ist auch die Bezeichnung Aumühlweg verhältnismäßig neu. Die dortige Fläche war ehedem Ackerland. Gleich anfangs links abzweigend liegt seitwärts seit ungefähr 1750 Anwesen Nr. 2. Der dortige einstöckige Holzfachwerkbau mit französischem Mezanendach soll vorher in Kleinostheim gestanden haben. Die übrigen Bauten stehen seit 1865. Der Weg ward 1896 gerollt und die beiderseitigen Flußkandeln wurden 1906 und 1909 erstmalig gepflastert. Auf dem Stengertsberg steht eine 1892 erbaute Hütte für das dortige Granitwerk.
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